June 2025

«Die Frage ist nicht, ob wir krank werden, sondern wann!»

Welche gesundheitlichen Risiken birgt eine Reise nach Indien? Sybille Imhof, verantwortlich für die FAIRMED-Programme in Indien und die inklusive Entwicklungszusammenarbeit für Menschen mit Behinderungen, weiss Bescheid. Denn sie bereist nicht nur regelmässig Indien und andere Länder, sondern ist auch diplomierte Apothekerin und hat während zehn Jahren in verschiedenen Apotheken Menschen gesundheitlich beraten.

FAIRMED vor Ort: Was hat dich bewogen, deine Arbeit als Apothekerin an den Nagel zu hängen und vor acht Jahren in die Entwicklungszusammenarbeit umzusteigen?
Über Jahre verbrachte ich immer wieder längere Zeit in Lombok in Indonesien, bis es mit der Zeit wie mein zweites Zuhause wurde. Durch den engen Kontakt mit der lokalen Bevölkerung habe ich viel von ihrer Lebensrealität gelernt und wie sehr sich diese zum Teil von der unseren hier in der Schweiz unterscheidet. Irgendwann kam dann der Wunsch in mir auf, beide Welten zu kombinieren und etwas dazu beizutragen, das Leben der Menschen, die am meisten zurückgelassen werden, zu verbessern. So bin ich über einen Master of Advanced Studies für internationale Gesundheit am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei FAIRMED gelandet.

Und was würdest du jetzt sagen, nach acht Jahren bei FAIRMED, hat sich der Wechsel gelohnt?
An der Arbeit in der Apotheke hat mir der Kundenkontakt sehr gefallen, jedoch der Aspekt gefehlt, die Gesundheit der Menschen auf einer systemischen Ebene langfristig zu verbessern – darum ja, ich bin glücklich mit meiner Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit.

Zu welchen Gesundheitsvorkehrungen würdest du mir raten, wenn ich eine Reise nach Indien plane?
Die Frage bei einer längeren Reise in einem Land wie Indien ist ja nie, ob ich krank werde, sondern wann. Darum würde ich dir empfehlen, dir im Vorfeld zu überlegen, was du im Krankheitsfall tun kannst und was du mitnehmen solltest (siehe Packliste). Was ich ausserdem immer mitnehme, sind Ohropax, um einigermassen schlafen zu können. Gerade in Städten in Indien ist der Lärmpegel auch nachts doch sehr viel höher, als ich das von zu Hause gewohnt bin. Und Notfall-Snacks habe ich auch immer dabei für den Fall, dass eine Mahlzeit vor lauter Meetings ausfällt.

Hast du Erfahrungen damit, in Ländern wie Indien krank geworden zu sein?
Oh ja, immer wieder mal! Kranksein ist ja nie lustig, aber je nach Kontext ist es umso schwieriger – zum Beispiel, wenn man bei Durchfall als Toilette einfach ein Loch im Boden hat, ohne fliessendes Wasser, Strom und Licht. Umso mehr achte ich darauf, was ich esse und trinke, und auf eine gute Hygiene.

Wie würdest du vorgehen, wenn du in so einem Land medizinische Hilfe benötigen würdest?
Bei FAIRMED haben wir Unterstützung einer spezialisierten Agentur, an die wir uns im Notfall weltweit wenden können und die dann alles für uns organisiert. Grundsätzlich finde ich aber eine fundierte Vorbereitung vor der Reise sehr wichtig. Wie sind die Notfallnummern im jeweiligen Land? Welche medizinischen Einrichtungen kämen im Notfall infrage? Was sind die häufigsten Gefahren und wie kann ich diesen am besten vorbeugen? Welche Impfungen sollte ich haben? Brauche ich eine Malariaprävention?

Gibt es Dinge, die du zum Voraus extra organisierst, wie beispielsweise bei der Krankenkasse eine Zusatzabdeckung zu lösen oder Mitglied bei der Rega zu werden?
Als Privatperson bin ich Mitglied bei der Rega und kläre je nach Reiseland die Kostendeckung mit meiner Krankenkasse ab. Ich schaue auch immer, sowohl auf Berufsreisen wie privat, dass eine Bezugsperson meine Reiseroute kennt, und melde mich regelmässig. Ausserdem habe ich wichtige Telefonnummern notiert und bewahre diese separat an verschiedenen Orten auf, wie auch Geld und Kreditkarten.

Was hast du in Indien, der Zentralafrikanischen Republik und Indonesien über die Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten gelernt?
Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in diesen Ländern, wenn sie krank werden, oft lieber auf den Rat von ihresgleichen hören als auf den Rat einer medizinischen Fachperson. Gerade ärmere Menschen scheinen oft zu denken, dass Ärzte sich gar nicht in ihre Situation hineindenken können, weil sie keine Ahnung haben, wie es ist, arm zu sein. Darum vertrauen diese Menschen lieber Menschen aus ihren Gemeinschaften oder lokalen Gesundheitshelfenden, die in ähnlichen Verhältnissen wie sie selber leben, zum Beispiel FAIRMED-Gesundheitshelfenden oder Mitaninnen, die im Auftrag der Regierung als freiwillige Gesundheitshelfende von Haus zu Haus gehen. Menschen, die krank sind, wollen nicht unbedingt Hightech-Medizin, sie wollen sich umsorgt und verstanden fühlen.

Was bedeutet Gesundheit für dich selber?
Ich teile den Ansatz der Weltgesundheitsorganisation WHO, dass Gesundheit nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen ist, sondern dass es sehr viele verschiedene Faktoren gibt, welche die Gesundheit beeinflussen. Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens.

Medizinische Packliste

·Persönliche regelmässig einzunehmende Medikamente in Originalverpackung
· Rezepte dieser Medikamente

Fieber, Schmerzen, Erkältung
· Fieberthermometer · Schmerzmittel (Paracetamol) · Abschwellende(r) Nasenspray/-tropfen

Magen/Darm, Übelkeit
· Elektrolytpulver oder fettfreie Bouillon · Medikament gegen Erbrechen und (Reise-) Übelkeit

Wundbehandlung
· Desinfektionsmittel · Verbandsmaterial (Pflaster, sterile Kompressen, elastische Binde) · Schere · Pinzette

Insekten
· Insektenspray · Juckreizstillendes Gel · Antiallergikum

Verschiedenes
· Sonnencreme · Händedesinfektionsmittel · Wasserdesinfektionstabletten (für den Notfall)

Name: Sybille Imhof
Ausbildung: Eidg. diplomierte Apothekerin (Master of Science in Pharmaceutical Sciences), Master of Advanced Studies in International Health
Funktion bei FAIRMED: Von 2017 bis 2019: Programmverantwortliche für die Zentralafrikanische Republik, seither Programmverantwortliche für Indien und Verantwortliche für Inklusive Entwicklungszusammenarbeit für Menschen mit Behinderungen für FAIRMED
Hobbies: Lesen, Skifahren, Reisen, Genusswandern

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