«Du kannst das Kind nicht natürlich gebären», sagt Monique Zigoukla zu Christine, die versucht, ihre Wehen mit tiefen Atemzügen zu veratmen. «Dein Bébé liegt quer, du musst ins Spital!», fährt Monique fort, nachdem sie Christines Bauch abgetastet und die Herztöne des Ungeborenen abgehört hat. Es dauert keine Minute, bis Christine in das Ambulanzfahrzeug gebettet ist und begleitet von ihrer Mutter in Richtung Bangui ins Spital gefahren wird. «Hoffen wir, dass das reicht! Die Fahrt nach Bangui über diese löcherigen und überschwemmten Dschungelwege dauert mindestens einen Tag», seufzt Monique.
Im Gesundheitsposten kommen jeden Monat durchschnittlich zehn Kinder zur Welt
Monique Zigoukla ist Hebamme und leitet den Gesundheitsposten in Salanga, der die Gesundheitsversorgung der Aka und Bantu*, die in den weit verstreuten Siedlungen des Dorfs leben, sicherstellt. «Seit FAIRMED schwangeren Frauen gratis Gesundheitsgutscheine für die medizinische Begleitung rund um die Geburt zur Verfügung stellt, kommen viel mehr Frauen ins Gesundheitszentrum. Pro Monat lassen sich rund 30 Bantu- und Aka-Frauen vor- und nachgeburtlich beraten, und im Durchschnitt kommen hier jeden Monat zehn Kinder zur Welt.» FAIRMED unterstützt im Bezirk Bimbo zehn Gesundheitsposten, die wie in Salanga mit einem Notfalltransportsystem und den Gesundheitsgutscheinen für Schwangere funktionieren. «Die positive Wirkung der Gutscheine und der Ambulanzen zeigt sich klar», sagt Monique. «Es lassen sich viel mehr Menschen gegen Krankheiten behandeln, und viel mehr Frauen gebären ihre Kinder mit medizinischer Hilfe. Und es ist uns gelungen, auch die unterdrückten Aka, die vorher null Chancen auf eine Behandlung hatten, zu erreichen!»
*Die Bantu sind eine Bevölkerungsgruppe, die in vielen Teilen Afrikas zu Hause ist.
Zwischen Weinen und Lachen – das Baby ist da!
Aka-Frau Martine Dememo hat soeben ihr Kind zur Welt gebracht. «Letzte Nacht habe ich nur geschrien und geweint, ich dachte, ich müsste sterben», sagt Martine, «und nun lache ich nur noch, ich bin so glücklich!» Um zwei Uhr morgens hat Martine ihren kleinen Sohn geboren, und nun, keine acht Stunden später, erzählt sie uns ihre Geschichte.
«Ich wohne im Aka-Lager rund zehn Kilometer von hier, in einer richtigen Ndabakola, so nennen wir unsere kleinen, runden Laubhütten mitten im Wald.» Martines Dorfgemeinschaft lebt noch halb als Nomaden, jagt Wildtiere, ist aber wegen des schwindenden Lebensraums, des immer stärker abgeholzten Waldes, gezwungen, sich allmählich niederzulassen und sesshaft zu werden. «Es ist schwierig, weil wir Aka schlecht behandelt werden von den anderen Bevölkerungsgruppen. Ich kenne Geschichten von Aka, die wie Sklaven gehalten werden. Wenn jemand von uns erkrankte, wurden wir in den Gesundheitsposten abgewiesen.» Das habe sich durch FAIRMED verändert, erzählt Martine: «Ein FAIRMED-Mitarbeiter ist zu uns ins Dorf gekommen und hat uns ermuntert, ins Gesundheitszentrum zu kommen, wenn wir krank sind oder schwanger werden. Zum Glück bin ich gekommen, denn mit dem Gutschein, den ich gratis bekommen habe, bekomme ich jederzeit Unterstützung und Beratung. Die Hebamme Monique, die mir bei der Geburt half, hat mir sogar noch eine Bettdecke mitgegeben, damit ich mein Baby daheim warm halten kann.»
Wie wird die Gesundheitsversorgung weiter funktionieren, wenn FAIRMED sich verabschiedet?
Wir wollen von Monique Zigoukla wissen, wie das Modell weiter funktionieren wird, wenn sich FAIRMED nächsten Sommer aus dem Projekt zurückzieht. «Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit der Bevölkerung und den Gesundheitsbehörden die Gesundheitsversorgung ab nächstem Sommer selbstständig bewältigen werden. Da wir die Ambulanzen und Fahrräder von FAIRMED behalten dürfen, ist die Infrastruktur da.» Aktuell bilden sich Gesundheitskomitees, in denen Dorfmitglieder, auch Aka-Personen, und Vertreter der Behörden sich treffen, um die Organisation und Finanzierung der Gesundheitsversorgung ab nächstem Sommer zu planen.
Aka-Mann Gaston Toumou wird Gesundheitsmitarbeiter
In Ndolobo in der Nähe von Mbaiki treffen wir den Gesundheitsmitarbeiter Gaston Toumou, selber Aka und deshalb besonders vertraut mit den Schwierigkeiten, denen die unterdrückten Aka täglich begegnen. Er ist im Einsatz für das neue FAIRMED-Gesundheitsprojekt «Seni na Siriri» (Gesundheit und Frieden), das gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und 37 Gesundheitseinrichtungen besonders den zahlreichen Aka zu einer medizinischen Versorgung verhelfen wird. «Früher habe ich als Reinigungstechniker gearbeitet, dann aber begonnen, mich immer mehr für die gesundheitlichen Probleme der Aka zu interessieren», erzählt der 36-Jährige. Gaston hat sich dank FAIRMED in den letzten paar Jahren laufend weitergebildet, zuerst in der Erkennung von Affenpocken, anschliessend in der Bekämpfung von vernachlässigten Tropenkrankheiten und vor Kurzem auch zum Erste-Hilfe-Krankenpfleger. Nun kann er die medizinische Grundversorgung übernehmen, Wundverbände auflegen, Spritzen verabreichen und erkennen, welche weiterführenden medizinischen Massnahmen nötig sind.
Im Notfall mit dem Velo Hilfe holen
«Jetzt arbeite ich in der Apotheke von Ndolobo, besuche die weit verstreuten Aka-Dörfer der Umgebung, um die Dorfgemeinschaften für die Vorbeugung und Behandlung von vernachlässigten Tropenkrankheiten zu sensibilisieren, ich mache aber auch Krankentransporte, und manchmal schwinge ich mich aufs Fahrrad und hole Hilfe.» «Wieso?», wollen wir wissen. «In unserem Dorf gibt es keinen Strom, kein Internet, kein Telefonnetz. Wenn jemand verunfallt oder ein lebensgefährliches medizinisches Problem hat, können wir nicht einfach anrufen und die Ambulanz bestellen. Ich fahre dann mit dem Velo ins nächste Dorf, in dem es ein Telefonnetz gibt, und von dort können wir das nächstgelegene Ambulanzfahrzeug kommen lassen.»
Die Übertragung von ansteckenden Hautkrankheiten stoppen!
Wir begleiten Gaston ins Aka-Lager Bodjikala, das rund 60 km südwestlich von Mbaiki gelegen ist. Mitten im Wald leben unter riesigen Bäumen gegen 500 Aka in einer idyllischen Umgebung, verbunden mit der wilden Natur. Barfuss und fröhlich rufen uns die Menschen «Mbarahala!», was so viel wie «Hallo zu dir!» heisst, zu. Doch als wir umringt sind von den Menschen und sie von Nahem sehen, könnte unsere Bestürzung nicht grösser sein. Wir sehen mehrere Kinder mit eitrigen Wunden, riesigen Pusteln und junge Frauen und Männer mit Verstümmelungen an Händen und Füssen. «Wir sehen hier gleich drei verschiedene vernachlässigte Tropenkrankheiten», sagt Gaston und seufzt. «Die fehlenden Finger weisen auf die Folgen einer unbehandelten Lepra hin, die Pusteln sind eindeutig Frambösie und die Wunden stammen von Buruli.
Für ein Leben in Würde und Selbstbestimmtheit
Gaston entrollt sein Plakat, auf dem die vorherrschenden Krankheiten einfach erklärt sind. «Wenn ihr eure Krankheiten richtig behandelt, werdet ihr wieder gesund, könnt wieder jagen gehen, und ihr steckt eure Familien nicht an. Es geht der ganzen Gemeinschaft besser. Bitte, lasst doch euer Leben nicht mehr lahmlegen von diesen Krankheiten, und bitte helft mit, die Übertragungskette zu stoppen! Und ich sage euch, die Zeiten, wo Aka Personen in den Gesundheitszentren abgewiesen wurden, sind vorbei!» Gaston verbindet die nächsten zwei Stunden Wunden, erteilt Rat zur Einnahme von Medikamenten und hält den Zustand der erkrankten Dorfmitglieder schriftlich fest. «Wenn wir Aka in Würde leben wollen, wenn wir unsere Zukunft selber bestimmen wollen, ist der erste grosse Schritt, dass wir die Übertragungskette der Krankheiten, die bei uns grassieren, unterbrechen. Dafür setze ich mich mit all meiner Kraft ein und dafür stehe ich jeden Morgen beim ersten Hahnenschrei voller Freude auf!», verabschiedet sich Gaston, schwingt sich auf sein Fahrrad und radelt davon, einem sich purpurrot färbenden Abendhimmel entgegen.
Niemand darf an einer heilbaren Krankheit leiden oder sterben
Minyem Jacques Christian • Landesverantwortlicher Zentralafrikanische Republik
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