Die lymphatische Filariose (LF), auch Elephantiasis genannt, ist eine Infektion mit Fadenwürmern, die durch Stiche der Culex-Mücke übertragen wird. Die Krankheit greift das Lymphsystem und das Bindegewebe an und verursacht, wenn sie chronisch wird, irreversible Behinderungen. So können Körperteile stark anschwellen, besonders Beine, Brüste, Arme und Hodensack. Diese übermässig angeschwollenen Gliedmassen bleiben als lebenslange Behinderungen bestehen. «Der Schlüssel zur Vorbeugung der lymphatischen Filariose liegt in der breiten Verabreichung von sicheren und wirksamen Medikamenten», erklärt Dr. Rudra Marasini, Direktor der Abteilung für Epidemiologie und Krankheitskontrolle von Nepal. «Die vorbeugenden Medikamente haben minimale Nebenwirkungen und verhindern nachweislich die Übertragung der Krankheit. Wenn die Mücke einen infizierten Menschen sticht, dringen die Würmer, die im Blut dieses Menschen zirkulieren in die Mücke ein und infizieren sie. Wenn sie dann einen gesunden Menschen sticht, dringen diese Würmer durch die Haut und wandern in die Lymphgefässe des neu gestochenen Menschen.» In den Lymphgefässen wachsen die Würmer dann zu erwachsenen Tieren heran, paaren sich und geben erneut Millionen von Würmern ins Blut ab. «Daher können Menschen mit Würmern in ihrem Blut die Infektion durch Mücken auf andere Menschen übertragen», so Marasini weiter.
FAIRMED engagiert sich bei Massenkampagnen
Nepal hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die lymphatische Filariose bis 2030 zu eliminieren, und hat dafür Massenkampagnen zur Verabreichung von Medikamenten gegen LF organisiert. Betroffene und Menschen in Risikogebieten werden dabei über einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren mit einer Kombination aus mehreren Wurmtabletten behandelt. Die Tabletten müssen je nach Therapieform ein- oder zweimal pro Jahr eingenommen werden. Besonders wichtig ist dabei, dass die Massenkampagnen den Grossteil der betroffenen Bevölkerung erreichen und die Behandlung auch konsequent über mehrere Jahre durchgeführt wird. Nur so kann der Kreislauf aus Ansteckung und Übertragung nachhaltig und dauerhaft unterbrochen werden. Das setzt aber voraus, dass auch die Menschen in den besonders abgelegenen Regionen Nepals erreicht werden.
Da FAIRMED in Nepal als Organisation bekannt ist, die in abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten tätig ist, war es nicht überraschend, dass die nepalesische Regierung FAIRMED bat, bei den Massenkampagnen in diesen Distrikten mitzuhelfen. In vier Distrikten hat FAIRMED die Massenverabreichung der Medikamente bereits abgeschlossen, in sieben Distrikten sind die Infektionsraten jedoch noch immer viel zu hoch. «Die Dosis der Medikamente gegen LF muss genau auf die individuelle Grösse und das Gewicht jedes Einzelnen abgestimmt werden, darum braucht es für die Abgabe eine Überwachung durch qualifiziertes Gesundheitspersonal», erklärt Nirmala Sharma, Landesverantwortliche für FAIRMED in Nepal. «Die Herausforderung, LF zu eliminieren, liegt also darin, dass wir alle Menschen erreichen und behandeln können, auch diejenigen, die in abgelegenen und schwer zugänglichen Gegenden leben. Es ist eine logistische Herkulesaufgabe und gelingt nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, wenn das Gesundheitspersonal zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein soll.»
Wenn die Träume der Wanderarbeitenden an Filariose zerschellen
Ein besonders bitteres Thema ist die lymphatische Filariose für die vielen Wanderarbeitenden aus Nepal, die im Ausland Geld verdienen wollen. Sie nehmen hohe Kredite auf, um die Reise an den Arbeitsort im Ausland zu bezahlen, und werden, wenn sie dort auf LF diagnostiziert werden, nach Nepal zurückgeschickt und dürfen nicht mehr ins andere Land zurückkehren. Grund dafür ist, dass südasiatische Länder wie die Malediven, Sri Lanka und Malaysia die Filariose bereits erfolgreich ausgerottet haben oder kurz davorstehen. Es erstaunt kaum, dass diese Länder infizierte Wanderarbeitende zurück in deren Heimatland abschieben, um einem erneuten Aufflammen der Filariose vorzubeugen. So erging es Pancha Ram Chaudhary Tharu, einem 30-jähriger Bauarbeiter aus Kapilvastu, Nepal: «Ich wurde von den malaysischen Behörden nach Hause zurückgeschickt, nachdem ich positiv auf lymphatische Filariose getestet worden war.» Pancha Rams Reise nach Malaysia im Oktober 2024 wurde von der Hoffnung angetrieben, seiner Frau und seiner 18 Monate alten Tochter in der Heimat ein besseres Leben zu ermöglichen. Bereits einen Monat später wurden seine Hoffnungen durch die LF-Diagnose und die damit verbundene Zwangsausweisung zunichtegemacht.
Ein Mückenstich wird zur Schuldenfalle
Da Pancha Ram einen Kredit von 270'000 Rupien (entspricht rund 1775 Schweizer Franken) aufgenommen hatte, um seine Reise nach Malaysia zu finanzieren, steht er nun vor der gewaltigen Aufgabe, diese Schulden zurückzuzahlen, ohne die Mittel dazu zu haben. Das Schicksal von Pancha Ram zeige, wie Krankheiten wie LF armutsbetroffene Menschen noch weiter in die Armut treiben, erklärt Nirmala Sharma: «Die lymphatische Filariose bedroht nicht nur die Gesundheit dieser Menschen, sondern sie zerstört auch ihre Hoffnungen auf finanzielle Stabilität, Wohlstand und ihre Träume von einer Zukunft für ihre Familien. Wenn die an LF Erkrankten Behinderungen entwickeln, werden sie noch mehr geschwächt und ihr wirtschaftlicher Überlebenskampf hoffnungslos.» Pancha Ram beschreibt seine Situation so: «Wenn ich im letzten Jahr die Medikamente gegen LF bekommen hätte, wäre ich jetzt noch immer in Malaysia und könnte meiner Familie Geld nach Hause schicken. Leider komme ich aus den Bergen, wo es noch keine flächendeckende Massen kampagne gab.» n enger Zusammenarbeit mit den lokalen Gesundheitsbehörden wird FAIRMED deswegen weiterhin dazu beitragen, dass die Massenbehandlungskampagnen gegen LF auch in abgelegenen und schwer zu erreichenden Gebieten durchgeführt werden. So sollen Geschichten wie jene von Pancha Ram seltener werden und Nepal der Vision von einem Land ohne LF ein Stück näher kommen.