Noch bis kurz vor seinem Tod nahm Richard Hehl an den Treffen mit den Landesverantwortlichen von FAIRMED teil, stets mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen, interessiert Fragen stellend, geduldig zuhörend – ein freundlicher Mensch und ein erfahrener Arzt, allseits geschätzt. «Ich habe im Herbst 1963 mit meiner Frau und zwei kleinen Söhnen in Venedig ein Schiff bestiegen und eine Reise ins Ungewisse angetreten», hatte uns Richard Hehl vor sechs Jahren erzählt, als wir ihn zum 60-jährigen Jubiläum von FAIRMED als Zeitzeugen befragten. Der Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Handchirurgie operierte jahrelang von Lepra betroffene Menschen an damals noch exotischen Orten.
«Nach zwölf Tagen sind wir in Bombay angekommen, von wo die Reise nach Südindien in eine komplett andere Welt weiterging.» Er habe sich auf dieses Unternehmen gefreut, es habe aber auch viele ungewohnte Herausforderungen gegeben, mit denen er und seine Familie zurechtkommen mussten. «Die drückende Hitze in einem Haus ohne Fensterscheiben war schon belastend, zudem war auch die Sprachbarriere schwierig. Und meine erste Begegnung mit indischem Curry hat mir echt die Sprache verschlagen», erzählte uns Richard Hehl.
Ungebetene Gäste
Auch war die Arbeit nicht mit den Bedingungen in der Schweiz zu vergleichen. «Die Einheit für Leprachirurgie, wo die Patientinnen und Patienten ambulant vor- und nachbehandelt wurden, war in einem kleinen Nebengebäude des grossen Missionsspitals untergebracht, in dem wir die Wiederherstellungsoperationen durchführten. Und manchmal operierte ich auch in einer winzigen Aussenstation mit primitivstem Operationsraum, dessen vergitterte Fenster zwar die Krähen fernhielten, nicht aber die zahlreichen Küchenschaben», erzählte Richard Hehl mit einem Schmunzeln.
Ärzteschaft mied Lepra-Betroffene
Operiert wurde neben den Vor- und Nachbehandlungen an drei Tagen pro Woche, und zwar möglichst zügig, da viele Patienten mit gelähmten Händen und Füssen darauf warteten dranzukommen. Dadurch habe er sich eine grosse Routine erwerben können, erzählte Richard Hehl weiter. Insgesamt blieb die kleine Familie ein Jahr in Indien, bevor sie mit Sack und Pack für drei Jahre in die Türkei überschiffte. Dort baute Richard Hehl am Universitätsspital von Ankara eine Operations- und Rehabilitationsabteilung für von Lepra betroffene Menschen auf, die damals noch zahlreich waren, aber von den einheimischen Ärztinnen und Ärzten ängstlich gemieden wurden. Ende 1967 endete dieser Einsatz und die Familie, inzwischen durch eine Tochter vergrössert, zog zurück nach Bern, wo Richard Hehl eine Stelle am Inselspital antrat. «Mitgebracht habe ich wichtige Erfahrungen zur Entwicklungsarbeit, spezialisierte operative Fertigkeiten, ein reiches Mass an schönen Erinnerungen und einen Angora-Kater aus Ankara, der in Bern alle Konkurrenten im Quartier terrorisierte», erzählte uns Richard Hehl lachend.
Engagiert über den Tod hinaus
Nun ist Richard Hehl nach einem reich erfüllten Leben gestorben, und wir können uns lebhaft vorstellen, dass er sich mit diesen Worten, die auf seinem Leidzirkular zitiert werden, verabschiedet hat: «I ha mis Göferli packt mit vile Erinnerige und Ougeblicke, mit eme Gedicht, warme Socke, zwöi weiche Chüssi u Musig vom Brahms im Ohr.»
Wir sind traurig und dankbar.
